Hallo zusammen:
Nur zur Erklärung: marylou bezieht sich auf die Situation von Grenzgängern in die SCHWEIZ!
Für alle, die das nicht betrifft, hier eine kleine Erklärung:
Wenn man in der Schweiz zu arbeiten beginnt, hat man die Wahl, sich in der Schweiz oder in Frankreich gegen Krankheit zu versichern. Die Wahl ist bindend, eine spätere Änderung nur möglich, wenn man in ein anderes Land zieht oder arbeitslos wird. In der Schweiz zahlt der Arbeitnehmer alleine die KV, es gibt dort verschiedene Kassen, die unterschiedliche Verträge anbieten. Der Beitrag ist nicht vom Gehalt abhängig.
Anstelle dessen kann man eine französische Versicherung wählen. Und hier gab es bisher zwei Möglichkeiten: Die CMU mit einem Beitragssatz von 8% oder eine speziell auf Schweizer Grenzgänger ausgerichtete private KV. Für die allermeisten ist die private Variante deutlich günstiger, und das bei ungleich höheren Leistungen. Klar, dass die ganz überwiegende Mehrheit der Grenzgänger sich also für eine französische private Versicherung entschieden hat.
Dann kamen die bilateralen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU. Und dort ist eigentlich geregelt, was ja auch für Grenzgänger nach D gilt: KV dort, wo man arbeitet. Also hätten sich alle in der Schweiz versichern lassen sollen. Nur waren die Schweizer Kassen nicht sonderlich interessiert an der Aufnahme französischer Grenzgänger, und viele Franzosen wollten in der französischen Versicherung bleiben. Daher wurde ein Abkommen zwischen F und der Schweiz geschlossen, nachdem das bisherige System weiterläuft. Dies war zunächst bis 2008 befristet. Schon damals gab es Bestrebungen seitens F, eine Änderung herbeizuführen. Man verlängerte das Abkommen bis 1.6.2014, weil die Schweiz geplant hatte 2014 ein Referendum über den Beitritt zur EU durchzuführen. In diesem Fall wäre es dann klar gewesen, dass man sich zukünftig in der Schweiz hätte versichern müssen.
Nach der aktuellen Finanzkrise ist ein Beitritt der Schweiz zur EU ziemlich unwahrscheinlich geworden; ein Referendum wird es nicht geben. Doch der französische Staat wittert Einnahmen: Man will das Abkommen nicht weiter verlängern und alle in F privat versicherten ab 1.6.14 in die CMU zwingen!!! Und gleichzeitig wollen sie den Beitragssatz möglicherweise auf 13,5% erhöhen!
Auch ich wäre davon betroffen; insofern bin ich natürlich persönlich nicht begeistert. Meine Ausgaben für die KV würden sich wohl vervier- bis verfünffachen. Und das geht den meisten Betroffenen so. Die Auswirkungen auf die Kaufkraft in der Grenzregion dürften verheerend sein.
Aber abgesehen davon gibt es handfeste Gründe, warum dieses Vorgehen meiner Meinung nach absolut inakzeptabel ist:
1. Ich habe mich auf Grund bestimmter Voraussetzungen für eine Versicherung in F entschieden. Nun will der französische Staat nachträglich die Bedingungen komplett verändern, aber kein erneutes Wahlrecht zulassen. Das ist meiner Meinung nach juristisch fragwürdig.
2. Alleine auf Grund der klammen Kassen in F erwägt der Staat, vom Schweizer Grenzgänger den ganzen Satz (13,5% des Bruttolohns) zu verlangen. Nur: In F zahlt die sécurité sociale z.B. den Lohnausfall, wenn ein Arbeitnehmer krank ist. In der Schweiz zahlt der Arbeitgeber das Gehalt weiter. Ähnliches gilt für die Unfallversicherung, Schwangerschaft usw. Man würde also eine Versicherung zahlen für etwas, das schon anderweitig abgedeckt ist.
Es gibt viele weitere Gründe, die gegen diese Regelung sprechen. Ich befürchte aber, dass diese den französischen Staat angesichts der miserablen wirtschaftlichen Lage kaum interessieren werden.
Am letzten Sonntag gab es eine öffentliche Zusammenkunft des CDTF (comité de défense des travailleurs frontaliers) in Saint Louis. 1500 Betroffene waren vor Ort. Der CDTF will mit allen Mitteln gegen die geplante Änderung kämpfen. Ab September plant er Demos, wenn sich bis dahin nichts bewegt.
Wir werden sehen, wie es weitergeht...
Viele Grüße,
der Kembser