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Autor Thema: Versicherungsproblematik  (Gelesen 4665 mal)

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Offline Tina.!

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Versicherungsproblematik
« am: 01. Dezember 2016, 21:12:59 »
Hallo zusammen,

vielleicht hat einer von einen Tipp für uns und kann uns sagen, wie genau das läuft...

Mein Partner ist zu 90 % im Homeoffice tätig, damit kein Grenzgänger im Sinne des DBA. Er möchte im Frühjahr nächstes Jahr zu mir ziehen von Belgien und kann seinen Arbeitsvertrag umschreiben lassen. Er bekommt dann einen deutschen Arbeitsvertrag mit Firmenzentrale in Frankfurt. Wohnsitz bei mir in Frankreich. Der Arbeitgeber hat weltweit  70.000 Mitarbeiter, sodass die Problematik der Kosten für die Sozialversicherung (die ja sonst für jeden das Problem wäre) nicht ins Gewicht fällt.

- Müsste der Arbeitgeber ihn in Frankreich bei der Krankenversicherung anmelden?

- könnte er sich nicht auch bei einer deutschen Versicherung versichern (arbeitet ja nach einem deutschen Arbeitsvertrag) und auch parallel bei der französischen Versicherung melden analog uns regulären Grenzgängern)

- darf er mit einer französischen Sozialversicherungsnummer auch in D zum Arzt?

- Wie meldet man sich zur Rentenversicherung an in F?

Ich kenne nur die reguläre Grenzgängerkonstellation daher ist mir das sehr neu alles....

Danke für eure Hilfe im Voraus!!!


Offline Schnaeggschje

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Re: Versicherungsproblematik
« Antwort #1 am: 02. Dezember 2016, 18:05:45 »
Hallo Tina,

also wenn ich das richtig verstehe, ist es doch so, daß er als Angestellter bei einer deutschen Firma arbeitet, oder?
Ob er nun vom Homeoffice oder in der Firma arbeitet, dürfte doch keine Rolle spielen. Er hat einen deutschen AV und somit müsste der Arbeitgeber doch ganz normal die Sozialabgaben ins deutsche Renten-Krankenversicherungssystem abführen. Evtl. sogar die Steuern, da ja die Zentrale in Frankfurt sitzt.

Oder hab ich das falsch verstanden?

Viele Grüße
Schnäggschje


Offline soso

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Re: Versicherungsproblematik
« Antwort #2 am: 03. Dezember 2016, 12:57:32 »
Oder hab ich das falsch verstanden?
Neee, aber was Grundsätzliches übersehen. Wenn der Arbeitsplatz in Frankreich ist (eben jemand physisch dort dauerhaft arbeitet, dann darf er ausschließlich mit einem französischen Arbeitsvertrag angestellt werden! Ob das zuhause (HomeOffice) oder in irgendeinem gemieteten Büro geschieht macht doch faktisch keinen Unterschied.
Nur: Damit eine Firma in Frankreich jemand anstellen kann muß sie selbstverständliche einen Sitz (Filiale) in Frankreich haben. Dieser kann natürlich auch an der Wohn- (Homeoffice-)Adresse des Mitarbeiters liegen, aber da damit dann der ganze Rattenschwanz von Steuerklärungen, Abgaben, Formulare, Arbeitsvorschriften usw auf die Firma zukommt, wird das kaum eine Firma, die nicht bereits einen Sitz in F hat mitmachen. Wird manche Firma vielleicht stillschweigend machen, aber wenn es  rauskommt (Brauchts nur 1 unzufiredenen MA): ist halt Sozialversbetrug, Steuerbetrug usw und die franz.Behörden bei sowas noch einiges rabiater als die Deutschen. Im obigen Bsp einfache Lösung: internat. Firma mit warscheinlich franz.Filiale - halt Anstellung bei franz. Filiale  (wer wo an welchen Projekten (dann eben in D) innerhalb einer Firma arbeitet interessiert die nicht)


PS: Das Ganze ist eigentlich auch logisch. Könnte ansonsten bspw. jeder Handwerker einfach seinen Firmensitz nach Rumänien verlegen und dann seine Mitarbeiter wie bisher dauerhaft in F arbeiten lassen, aber mit rumänischen Arbeitsverträgen die franz. Sozialabgaben und Steuern umgehen.


Offline TGV

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Re: Versicherungsproblematik
« Antwort #3 am: 14. Dezember 2016, 17:11:43 »
also wenn ich das richtig verstehe, ist es doch so, daß er als Angestellter bei einer deutschen Firma arbeitet, oder?
Ob er nun vom Homeoffice oder in der Firma arbeitet, dürfte doch keine Rolle spielen. Er hat einen deutschen AV und somit müsste der Arbeitgeber doch ganz normal die Sozialabgaben ins deutsche Renten-Krankenversicherungssystem abführen. Evtl. sogar die Steuern, da ja die Zentrale in Frankfurt sitzt.

Oder hab ich das falsch verstanden?

ich darf mich da - zugegeben etwas spät - kurz zu Wort melden:

1. Arbeitsrecht: Wenn jemand in FR im Homeoffice für eine DE Firma arbeitet, dann KANN man im Arbeitsvertrag deutsches Arbeits-Recht vereinbaren. ACHTUNG, bei "Kernrechten" des Arbeitnehmers darf das aber nie eine Schlechterstelltung zum Arbeitsrecht des Beschäftigungslandes sein (hier: FR), z.B. bei Urlaub, Arbeitszeit, Mutterschutz (ist in FR z.B. länger als in DE). In Praxi müßte eine deutsche Firma somit sinnvollerweise einen Vertrag nach französischem Recht schließen, um solche Unklarheiten zu vermeiden - wenn die nicht völlig verrückt sind, machen sie das nicht. Französisches Arbeitsrecht ist unverständlich, die Arbeitsgerichtsbarkeit unberechenbar, und extrem Arbeitgeber-unfreundlich.


2. Sozialversicherung: Man unterliegt, völlig egal was im AV steht, der französischen Sozialversicherungspflicht. Das ist EXTREM teuer für den Arbeitgeber (ca Faktor zwei (!) ggü DE) und saukompliziert - er muß den AN brav bei den Sozialkassen melden, eine korrekte Gehaltsabrechnung ausstellen, sich Betriebsprüfungen unterwerfen etc. pp.

Eine Gründung einer französischen Niederlassung ist m.W. nicht notwendig; die Lohn- und Gehaltsabrechnung ("Portage salarial") kann ein ansässiger Dienstleister übernehmen


3. Steuern: Steuerpflicht besteht in Frankreich, man ist kein Grenzgänger, das Wohn- und Beschäftigungsland ist Frankreich. Ist aber fast schon egal, Punke 1. und 2. sind große Showstopper.


In anderen Worten: Finger weg, so eine Konstellation hat für exakt niemanden irgendeinen Vorteil. Natürlich KÖNNTE man "extraschlau" sein und das einfach ignorieren nach dem Motto "weiß ja keiner", aber wehe wenn das jemand merkt:
- Der AG riskiert extrem teure Nachzahlungen und strafrechtliche Folgen,
- der AN
 * seinen Job,
 * möglicherweise auch strafrechtliche Folgen,
 * und im Zweifel auch alle Rechtsansprüche aus den Sozialkassen (Krankenversicherung - welche ist denn nun zuständig, die deutsche, bei der man fälschlicherweise Beiträge gezahlt hat (nein) oder die französische, die man um viele tausend Euro beschissen hat (ja..) und die einen nichtmal kennt (Carte vitale..)),
 * plus vermutlich jahrelange Rechtsstreit mit den Behörden: die Franzosen wollen Nachzahlungen, die Deutschen die gezahlte Kohle nicht rausrücken etc. pp..


So. Alles nicht sehr rosig, aber so ist es eben.

Viele Grüße


TGV


Offline Schnaeggschje

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Re: Versicherungsproblematik
« Antwort #4 am: 20. Dezember 2016, 15:02:34 »
Danke euch beiden für die Aufklärung.
Da war ich ja gerade mal völlig auf dem Holzweg. Gut zu wissen, falls man auch mal vorhat aus dem Home-Office zu arbeiten.

Viele Grüße
Schnäggschje

Offline Tina.!

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Re: Versicherungsproblematik
« Antwort #5 am: 25. Januar 2017, 16:28:49 »
Das ist echt extrem.... wir haben das Problem, dass ich Eigentum habe in Frankreich und mal nicht so eben umziehen kann um die Problematik durch einen Umzug zu vereinfachen.

Eine Außenstelle in Frankreich gibt es nicht aber in Luxemburg. Wäre das vielleicht eine Möglichkeit? Ist allerdings ein anders DBA zwischen D und LUX.....
ich bin etwas ratlos.... :-(