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Autor Thema: Kryptographie: Wie ist in F die aktuelle Gesetzeslage für den ENDUSER?  (Gelesen 7701 mal)

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Offline khmer

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Jetzt lese ich schon eine Stunde in den Fundstellen des frz scroogle und werd nicht schlau, weil, wie so oft im Web, ein konkretes Datum zu den Beiträgen fehlt, daß man unmöglich abschätzen kann, ob das uralt und überholt oder brandaktuell ist.

Es gab eine Zeit, da hieß es, wenn du (z.B.) PGP-verschlüsselte eMails nur bekommst oder gar sendest, kannst du sicher sein, daß bald die sécurité an deine Tür klopft. Hat jemand eine Idee, wo etwas gezielter die heute gültige Gesetzeslage nachgelesen und eingeschätzt werden kann? Die scheint sich nämlich recht oft geändert zu haben, seit 9.11.

Es geht nicht nur um eMails, es kann doch auch nicht sein, daß z.B. sicheres homebanking zum Problem werden kann, nur weil der Staat da nicht mitlesen kann?

Die Liste dessen, was ich nicht im Klartext durchs Web senden/empfangen will, die läßt sich beliebig fortsetzen.

Und selbst  der Wunsch anonym zu surfen (IP Verschleierung) ist nicht mehr nur was für Kriminelle (Kinderpornos usw) seit bekannt ist, wie nicht nur AOL sondern auch das von allen geliebte google Daten sammeln und Userprofile erstellen, diese sogar konkreten IPs zuordnen und das dann auch noch im Web veröffentlichen. Ich frage mich, ob auch die IP-Verschleierung schon zur "Beobachtung" führen kann.

Selbst wenn nur die Hersteller von Krypto-Programmen eine staatliche Genehmigung (mit Offenlegung) einholen müssen, ich denk doch gar nicht daran, offiziell anzufragen, ob das Produkt xyz auch genehmigt ist!

Zum ersten Mal seit 1979 fühle ich mich nicht mehr uneingeschränkt wohl in Fronkraisch, jedenfalls solange ich nicht einschätzen kann, wie es aktuell damit aussieht.

Für alle, die sich noch nicht damit beschäftigt haben und vielleicht mit Kopfschütteln fragen, was hat der denn für eine Paranoia: Der oben beschrieben Zustand, der wirklich mal herrschte (oder immer noch??), kommt einer Aufhebung des Briefgeheimnisses gleich. Briefe dürfen nicht mehr zugeklebt werden, damit der Staat es mit Kontrollen einfacher hat. Dabei könnte sich doch niemand mehr richtig wohl fühlen?

Salut
khmer

Offline Mathis

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Kryptographie: Wie ist in F die aktuelle Gesetzeslage für den ENDUSER?
« Antwort #1 am: 09. März 2007, 08:52:44 »
Hi!

In Frankreich bestand zwischen dem 29.12.1990 und dem Juli 1996 ein Kryptographieverbot. Jede Verschlüsselung musste von der Regierung über das SCSII genehmigt werden. Man hat allerdings nach und nach bemerkt, dass eine WWW-Anbindung nicht ganz ohne Verschlüsselung möglich ist, und daher wurde 1996 ein neues Gesetz erlassen (das Loi sur la Sécurité Quotidienne), welches die Verschlüsselung wieder teilweise erlaubt, insbesondere für Dinge wie Onlineshopping. Aber, und das ist meines Wissens noch heute so, muss der Regierung und den Behörden der Zugang zu den Schlüsseln möglich sein. Besitzer von Entschlüsselungscodes sind verpflichtet, diese der Justiz zur Verfügung zu stellen. Das o.g. Gesetz wurde im Oktober 2001 noch geändert und verschärft - zum nachlesen: http://www.lsijolie.net/lsq/lsqjo.html

Übrigens, neben Frankreich hat auch noch Russland ein Kryptographiegesetz...

Mehr Infos kann man bei der ‘Campagne pour la libéralisation de la cryptographie’ finden, Link: http://www.lsijolie.net/ (Leider funktioniert die Seite im Moment nur teilweise).

Gruß Mathis

Offline khmer

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Kryptographie: Wie ist in F die aktuelle Gesetzeslage für den ENDUSER?
« Antwort #2 am: 09. März 2007, 18:38:45 »
Danke Mathis,

vorallem für die Quellen. Der Gesetzestext ist aber reichlich umfangreich, nicht einfach, einen Überblick zu bekommen.

Hast Du eine Vorstellung davon, worin die Verschärfungen bestehen?

Es wird oft erwähnt, daß bis zu einer Schlüsseltiefe von 128 Bit alles ok sei. Also muß ich als Endandwender mir keine Sorgen machen?

Und wie sieht es mit den Anonymisierungsversuchen aus, ruft das schon wen auf den Plan? Weiß jemand was?

Ist das wg der geplanten oder schon beschlossenen(?) Kulturflatrate schon kein Thema mehr, weil all die Filesharer legalisiert sind?

Salut
khmer

Offline Mathis

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Kryptographie: Wie ist in F die aktuelle Gesetzeslage für den ENDUSER?
« Antwort #3 am: 16. März 2007, 08:29:07 »
Hallo Khmer,

Zitat
Der Gesetzestext ist aber reichlich umfangreich, nicht einfach, einen Überblick zu bekommen.
Richtig, das Juristendeutsch ist schon schwer genug, das Juristenfranzösisch erst recht...
Der Artikel 22 ist aber interessant. Die Maßnahmen zum Thema IT-Techniken sind bis zum 31.12.03 befristet, dann soll das Parlament einen Evaluationsbericht erhalten.

Zitat
Hast Du eine Vorstellung davon, worin die Verschärfungen bestehen?

Es wird oft erwähnt, daß bis zu einer Schlüsseltiefe von 128 Bit alles ok sei. Also muß ich als Endandwender mir keine Sorgen machen?
Ich kann es leider nicht mit Quelle belegen, aber soweit ich gehört habe ist alles was in Richtung E-Commerce geht in Ordnung. Der Staat möchte aber nicht, dass sich Menschen wirklich abhörsicher austauschen können, daher kann das mit der Schlüsseltiefe von 128 Bit durchaus stimmen.

Zitat
Ist das wg der geplanten oder schon beschlossenen(?) Kulturflatrate schon kein Thema mehr, weil all die Filesharer legalisiert sind?
Dazu stand mal einiges in der DNA, ich kann mich erinnern, dass die Versuche einiger Abgeordneter, das in einer Nachsitzung mal durchzudrücken, gescheitert sind. Sprich, es ist nach wie vor strafbar, Filme oder Musik zu tauschen. Es war auch ein Artikel im RL, dort wurde der genaue Strafrahmen beschrieben. Es war sehr abgestuft, so dass ein kleines Vergehen nicht besonders "teuer" sein sollte. Dann kam aber ein Urteil vom obersten Gericht, welches zu einer Gesetzesverschärfung führen musste. Dazu habe ich eine Quelle:

http://www.heise.de/newsticker/meldung/76082

Letzlich kann man also auch für "kleine" Vergehen sehr happige Strafen bekommen.


Gruß Mathis

Offline khmer

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Kryptographie: Wie ist in F die aktuelle Gesetzeslage für den ENDUSER?
« Antwort #4 am: 16. März 2007, 23:53:45 »
Danke Mathis,

das war sehr informativ!... und ein bißchen schade!

Ich zähl nicht zu den aktiven Filesharern, vermisse aber ausreichend Gelegenheit, Musik ausreichend kennenzulernen bevor ich CDs kaufe oder online bestelle, und hab das Tauschen immer als eine Möglichkeit ins Auge gefaßt, so wie früher Musikkassetten für Freunde bespielt wurden. Wenn mir was gefällt, möcht ich aber immer selbst ein Original besitzten, vorallem in besserer Qualität, nicht nur MP3.

Darüberhinaus fand ich die Idee einer Kulturflat einfach gut und den französischen Vorstoß vorbildlich. Sie (die K'flat) hätte die Idee freier open-source Software ideal ergänzt.

Hoffentlich können alle Leser nachvollziehen, was ich meine, wieso ich Musik mit Software ergänzen will. Ich meine einfach die Idee des freien Zugangs und der Offenlegung von Technikstandards, gegen proprietäre = verbraucherfeindliche Systeme.

khmer

Offline Mathis

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Kryptographie: Wie ist in F die aktuelle Gesetzeslage für den ENDUSER?
« Antwort #5 am: 19. März 2007, 14:34:39 »
Hallo Khmer,

Zitat
Darüberhinaus fand ich die Idee einer Kulturflat einfach gut und den französischen Vorstoß vorbildlich. Sie (die K'flat) hätte die Idee freier open-source Software ideal ergänzt.
Absolut! Pauschalvergütungen gibt es viele, angefangen von der Fernsehgebühr, bis hin zur Internet- oder Telefonflatrate, und es werden in der letzten Zeit auch mehr. Nur ist die Platten- und Filmindustrie nicht damit einverstanden und sehr mächtig. Ich hätte nichts dagegen, eine gewisse Summe pro Monat dafür zu zahlen, dass ich straffrei in MP3 Qualität (die ja bekanntlich oft schlechter ist, als das Original) soviel Probehören kann, wie ich möchte. Wenn etwas richtig gut ist, dann habe ich auch kein Problem für das Vollprodukt etwas draufzuzahlen. Aber die Mächtigen in den Plattenfirmen wollen, dass ich ohne vorher genau zu wissen was, einfach alles kaufe. Mein CD-Konsum ist seit der Hexenjagd auf Filesharer gegen Null gegangen.

Zitat
Ich meine einfach die Idee des freien Zugangs und der Offenlegung von Technikstandards, gegen proprietäre = verbraucherfeindliche Systeme.
Richtig, sehe ich auch so.

Gruß Mathis

Offline Mathis

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Hallo in die Runde,

wer sich für Dinge wie Vorratsdatenspeicherung, Überwachung des Internet durch den Staat etc. interessiert, sollte sich den folgenden Text bei Heise.de durchlesen.

http://www.heise.de/newsticker/meldung/89086

Gruß Mathis

mausespeck007

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Zitat von: Mathis
Hallo in die Runde,

wer sich für Dinge wie Vorratsdatenspeicherung, Überwachung des Internet durch den Staat etc. interessiert, sollte sich den folgenden Text bei Heise.de durchlesen.

http://www.heise.de/newsticker/meldung/89086

Gruß Mathis
Hallo Zusammen,

das ist wohl der Hammer, oder?

Offline Mathis

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Hi!

Zitat von: mausespeck007
das ist wohl der Hammer, oder?
Ja, passt aber leider ins Bild... Seit einigen Jahren gerät die Balance zwischen den Freiheitsrechten der Internauten auf der einen Seite, und dem Wunsch des Staates nach Überwachung auf der anderen Seite sehr aus dem Gleichgewicht. Das immer wieder gebrauchte k.o. Argument ist: Kampf gegen Terror, Kampf gegen Internetkriminalität. Nur dumm, dass die Überwachung im Internet von den Anwendern kaum oder gar nicht wahrgenommen wird. Wenn man seine Briefe bei der Post gleich noch mit Kopie für das Staatsarchiv abgeben müsste, dann wäre der Aufstand groß, aber bei der digitalen Technik spürt man nichts von der Datenspeicherung...


Gruß Mathis