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Autor Thema: Existenzgründung in Frankreich  (Gelesen 14233 mal)

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Offline argentina

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Existenzgründung in Frankreich
« am: 01. Mai 2006, 12:47:23 »
Hat jemand eine Ahnung, wohin man sich wenden muß, wenn man als Grenzgänger (Arbeitnehmer in Deutschland) in Frankreich nebenberuflich eine Existenzgründung vornehmen möchte (z. B. Heilpraxis, also auf jeden Fall eine freiberufliche Tätigkeit).

Welche Gesetzes- und anderen Vorschriften gibt es hierfür?

Gruß Argentina

Guest

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Existenzgründung in Frankreich
« Antwort #1 am: 03. Mai 2006, 10:22:12 »
Zitat von: argentina
Hat jemand eine Ahnung, wohin man sich wenden muß, wenn man als Grenzgänger (Arbeitnehmer in Deutschland) in Frankreich nebenberuflich eine Existenzgründung vornehmen möchte (z. B. Heilpraxis, also auf jeden Fall eine freiberufliche Tätigkeit).

Welche Gesetzes- und anderen Vorschriften gibt es hierfür?

Gruß Argentina
Hi Argentina,

grundsätzlich gilt folgendes :

es gibt in Frankreich keine Heilpraktiker-Regelung, d.h. jeder der eine Heilpraxis aufmachen möchte wird vom Finanzamt gerne gesehen, da sie dich ausnehmen werden wie eine Weihnachtsgans. Die fr. Ärztekammer (l'ordre des médecins) hingegen kann dir jederzeit einen Prozess wegen unerlaubter Ausübung der Heilkunst machen. Und das passiert reletiv häufig. Deshalb organisieren sich die fr. Nicht-Arzt-Heiler oft in Gewerkschaften, um ihre Interessen und Mitglieder vor Gericht zu vertreten. Das erklärt auch, weshalb die Ausbildungen in Frankreich oft sehr lange und vollständig sind (z.B. 6 Jahre Vollzeitstudium für Osteopathen), um zumindest vor Gericht zu zeigen, dass sie nicht mal so gerade ein bisschen Lektüre gewälzt haben. Alles eine Frage wie du das Risiko einschäzt, aber wie gesagt : es gibt keine rechtliche Regelung für Heilberufe ausser die für Ärzte.

zum Thema freiberuflich : es gibt einen Unterschied zwischen FR und DE bezüglich der Auffassung, was freiberuflich ist : Der Begriff Freiberufler ist im deutschen Steuerwesen genau definiert, insbesondere welche Berufsgruppen dieser steuerlich sehr vorteilhaften Grupe angehören. Diese Eingruppierung existiert so in der Art in Frankreich nicht. (Genaue Informationen, welche verschiedenen Einstufungen in FR existieren gibt es natürlich beim Finanzamt)

zum Thema Selbstständigkeit/Steuern generell :
* in DE werden die Arbeitnehmer über die Lohnsteuer geschröpft
* in FR die Arbeitgeber (also auch die Selbstständigen)
klingt zwar ein wenig radikal und vereinfacht, entspricht aber leider den Tatsachen. FR ist eines der Länder mit dem höchsten Steuersatz überhaupt, wenn du alle Stauern und Abgaben miteinberechnest. Die Lohnsteuer ist zwar weitaus niedriger als in DE, alles andere aber nicht. Frage ruhig mal einen fr. selbständigen oder Arzt, was er zum Thema URSSAF zu sagen hat, und besorge dir dann schon mal ein Päckchen Taschentücher zum mitweinen.

Als Zusammenfassung :
alle finanziellen Informationen bekommst du beim Finanzamt (logisch)
rechtliche Informationen gibt es nicht, da du eh unerlaubte Ausübung der Heilkunst vorhast
in Frankreich selbstständig zu werden ist finanziell erheblich ungünstiger als in DE.

Gruß,
Ulf

Offline franky

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Existenzgründung in Frankreich
« Antwort #2 am: 23. Juni 2006, 13:14:07 »
Ganz so kann ich das nicht stehen lassen.
In Deutschland ist es nur deshalb günstiger, weil eine Rentenversicherungspflicht in Deutschland für Selbstständige nicht besteht. Also diese Kosten sollte man draufrechnen auch als Selbstständiger. Die Einkommensteuer ist ab dem 3. Kind fast zu vernachlässigen (gegenüber Deutschland sehr gering).
Eine GmbH Gründung kostet nur etwa 700 € und die Einlage von 7.500 € kann man in den nächsten 5 Jahren erbringen. Eigentlich kann man in Frankreich eine GmbH mit nur 1 € Eigenkapital gründen.
Man zahlt sich auch am besten Gehalt aus. Der Rest wird dann Gewinn versteuert. Ist gegenüber Deutschland hoch 33% wenn man mehr als 38.000 € Gewinn hat, unter diesen Betrag nur noch 18 %. Also schön den Gewinn minimieren. Bei einer Auschüttung kommt man in den Genuss der Avoir Fiscal, d.h. es wird die Hälfte der gezahlten Gewinnsteuer auf die Einkommensteuer angerechnet. Soll dafür sorgen, das die Gesellschafter schnell ihren Gewinn ausschütten ?
Zum Thema Steuerberater: Die sind viel besser als in Deutschland und auch billiger (Ersparniss 50%). Es finden regelmässig Beratungen statt. Also keine Sortierfirmen und dann Standard (Hauptsache keine Arbeit aber viel kassieren) wie in Deutschland. Wenn man einen Comptable Expert nimmt z.B. kann man in Frankreich 10 % Steuern sparen. Die schenkt einem der französische Staat, weil er davon ausgeht, das eine weitere Prüfung im Finanzamt nicht notwendig ist.
Die Firmeninhaber in Frankreich beschweren sich nur, weil Sie bei den Abgaben kein Anrecht auf Arbeitslosenunterstützung haben und nicht einbezahlen dürfen. Kann man aber umgehen.
Klappt es bei einer Selbständigkeit in Deutschland nicht, wird man regelrecht vernichtet. In Frankreich aber ist man automatisch noch 4 Jahre Krankenversichert. Kann eine Insolvenz in nur 2 Jahren durchziehen. Also man hat die Chance eines Neuanfangs.

Hier ein Link zum berechnen der Abgaben bei unterschiedlichsten Rechtsformnen:
http://www.canam.fr/aide_a_la_creation_d_entreprise/modules_calcul/module.php

Offline huckfinn

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Re: Existenzgründung in Frankreich
« Antwort #3 am: 31. März 2009, 21:56:22 »
Hallo Leute,

"Frage ruhig mal einen fr. selbständigen oder Arzt, was er zum Thema URSSAF zu sagen hat, und besorge dir dann schon mal ein 
Päckchen Taschentücher zum mitweinen."

Ich wollte es nicht glauben und habe etwas recherchiert und mußte dabei feststellen, daß die Sozialabgaben für Selbständige in Frankreich tatsächlich extrem hoch sind. Nach den PDFs auf

http://www.urssaf.fr/profil/independants/documentation/guides,_chartes_et_conventions/guides_01.html#OG23894
http://www.offensive-regio.de/index.php?action=publikationen&cathegorie=publikationen&language=DE&menue_id=9 (insbesondere das PDF "GRENZENLOSE CHANCEN FÜR UNTERNEHMEN - DIE BROSCHÜRE ZUR INTERNETSEITE" ganz unten, Seite 12)

muß man damit rechnen, die Hälfte des Einkommens/Gewinns durch Sozialabgaben zu verlieren, sofern man nicht Kleinstunternehmer ist, also sofern man einen Gewinn über 27000 Euro hat.

Auch an die Möglichkeit, an sich selbst Gehalt auszuzahlen, glaube ich nicht mehr, denn in den oben genannten URSSAF-Texten wird  sorgfältig zwischen dem gérant majoritaire und den gérants minoritaires, die "salarié" sind, unterschieden.

Habe ich etwas übersehen oder stimmt es, daß man als Selbständiger bei einem Gewinn von über 27000 Euro in Frankreich trotz der geringen Einkommenssteuer erheblich schlechter dasteht als in Deutschland? Damit zerschlägt sich mein Traum, meine selbständige Tätigkeit nach Frankreich zu verlegen. Oder gibt es irgendeine Möglichkeit, dabei auf Dauer in Deutschland sozialversichert zu bleiben?

Vielen Dank für Eure Hilfe
   Huck

Offline pifolog

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Re: Existenzgründung in Frankreich
« Antwort #4 am: 31. März 2009, 22:51:13 »

Hallo Leute, ......
 ...stimmt es, daß man als Selbständiger bei einem Gewinn von über 27000 Euro in Frankreich trotz der geringen Einkommenssteuer erheblich schlechter dasteht als in Deutschland?

   Huck

Ja sicher,
als Selbständiger kriegst Du in Frankreich eben keine steuerliche Extrawurst so wie in Deutschland.

Deshalb: Der Selbständige bevorzugt Deutschland, als das Steuerparadies für alle, die keine Lohnsteuerkarte brauchen.

Grüße

Offline huckfinn

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Re: Existenzgründung in Frankreich
« Antwort #5 am: 01. April 2009, 10:38:48 »
Hallo,

> als Selbständiger kriegst Du in Frankreich eben keine steuerliche Extrawurst so wie in Deutschland.

das ist meiner Meinung nach nicht der Grund, denn als Personengesellschaft muß man seinen Gewinn mit der sehr hohen deutschen Einkommenssteuer versteuern, als GmbH hat man zwar stattdessen nur eine geringe Körperschaftssteuer, aber es kommt noch die sehr hohe Gewerbesteuer hinzu (Außerdem wirken Ausschüttungen nicht gewinnmindernd, d.h. dasselbe Geld wird dann nochmals mit der Abgeltungssteuer versteuert).

> Deshalb: Der Selbständige bevorzugt Deutschland, als das Steuerparadies für alle, die keine Lohnsteuerkarte brauchen.

16.5% + 20% Gewerbesteuer + 26% Abgeltungssteuer für GmbH-Ausschüttungen nennst Du paradiesisch?

Viele Grüße
   Huck

Offline pifolog

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Re: Existenzgründung in Frankreich
« Antwort #6 am: 03. April 2009, 18:26:55 »
Hallo Huck,

ob viel oder wenig, es kommt wohl darauf an, was ich mit was vergleiche bei der Bewertung von staatlichen Abgaben (Steuern + Sozialabgaben).

Für Unselbständige in D oder F liegt der Vorteil in F, wie Du hier aus allen Beiträgen lesen kannst.
Beim Vergleich für Unternehmer wird D wohl günstiger sein, wie du selbst recherchiert hast.
Wenn ich dann selbständig – unselbständig in D vergleiche, ist der Selbständige eindeutig König in Deutschland.

Die von Dir zitierten Abgabensätze für Unternehmen erschrecken doch nicht. Millionen Arbeitnehmer in D wären glücklich, würde man diese auf ihre Besteuerung anwenden. Und zwar 1:1, inklusive der Bemessungsgrundlage.
Sie bezahlten dann Steuern nur von dem, was am Monatsende übrig bleibt. Da wäre ich sogar mit einem Steuersatz von 60% gerne dabei.

Sollten Dich jedoch konkrete Zahlen eher überzeugen, guck Dir mal das Steueraufkommen und dessen Verteilung in F, D und EU-weit an.

Grüße