Zugfahren in Deutschland und Frankreich (aus: Deutsche in Frankreich)
In unserer heutigen vernetzten (und zumindest in Europa grenzenlosen) Welt, verliert man manchmal den Blick dafür, dass es trotz aller Annäherung, Normierung und Vereinheitlichung doch noch immer viele Unterschiede zwischen den Staaten gibt. Zugegeben muss man manchmal schon sehr genau hinschauen, bis einem diese Unterschiede wirklich auffallen.
Bahn und SNCF: gemeinsame Projekte trotz unterschiedlicher Konzeptionen
Einer der einfachsten Wege nach Paris und Frankreich im Allgemeinen zu kommen bleibt sicher die Schiene. Damit das auch so bleibt, investieren sowohl die Deutsche Bahn als auch die französische Bahngesellschaft SNCF seit vielen Jahren in den Ausbau der schnellen und bequemen Reisewege ins Nachbarland, ICE und TGV verbinden Städte in Deutschland und Frankreich mehrmals am Tag. Aber dennoch sind die Bahnnetze in beiden Ländern sehr verschieden konzipiert. Zum Beispiel wenn es um die Gleisangaben an den Bahnhöfen geht.
Gleisangaben in Deutschland und Frankreich
In Deutschland sind wir es gewohnt immer schon ein Jahr im Voraus genau zu wissen, wo welcher Zug um wie viel Uhr an welchem Gleis planmäßig einfährt. All diese Informationen werden jährlich in den aktuellen Fahrplaninformationen und an den gelben Abfahrtsplänen an jedem Bahnhof (und sei er noch so klein…) bekannt gegeben. Das deutsche Schienennetz ist nicht zentralistisch aufgebaut wie in Frankreich, daher muss man auf weiteren Reisen oft mehrmals umsteigen. Genau in diesem Fall ist es also von Vorteil, sich schon im Vorfeld orientieren zu können. Allerdings hat dieses vorhersehbare “perfekte System” auch zur Folge, dass es sehr häufig (jeder Vielfahrer wird das bestätigen können) zu Gleisverlegungen kommt – und dann ist natürlich alle Vorbereitung dahin. Aber auch daran sind wir in Deutschland ja gewöhnt. Sobald ein Zug in einem Bahnhof verspätet ein- oder ausfährt, werden auch die nachfolgenden Züge beeinträchtigt, müssen warten – oder eben auf andere freigewordene Gleise ausweichen. Und immer dann ertönt eine mehr oder weniger gut verständliche Stimme aus dem Lautsprecher, die den Fahrgästen mitteilt “Meine Damen und Herren an Gleis 5, bitte beachten Sie den Gleiswechsel…”.
Dieses Problem kennen die Franzosen so nicht. Die Sichtweise der SNCF, den Französischen Eisenbahnen, geht von der Prämisse aus, dass es sowieso immer zu Verschiebungen kommen wird, warum also Gleisverlegungen in Kauf nehmen, wenn man sie von Anfang an vermeiden kann? Daher wird in Frankreich das Gleis erst 20 Minuten vor Abfahrt angekündigt, wenn endgültig feststeht, wo der Zug tatsächlich einfahren wird. Diese Konzeption klingt im ersten Moment sehr einleuchtend, hat aber wiederum eigene Schwächen.
Wie in einem Karambolage am Bespiel der *deutschen Reisenden in Paris verdeutlicht, kann diese späte Ankündigung auch zur Folge haben, dass man genauso zum eigenen Gleis und dem reservierten Wagen hetzen muss, wie in Deutschland, wo man das Gleis unter Umständen noch einmal wechseln muss. Daran sieht man, dass es das “perfekte System” nicht gibt. Umso schöner, dass trotz der verschiedenen Ausgangssituationen solch erfolgreiche Kooperationen zwischen Deutschland und Frankreich möglich sind.